Fast 100 deutsche Botanische Gärten sind (H)orte der Pflanzenvielfalt und Bildungsstätten für jährlich etwa 14 Millionen Menschen aller Altersgruppen. Sie leisten mit ihren Pflanzensammlungen und ihren Bildungsangeboten einen Beitrag zur Umsetzung weltweiter politischer Entscheidungen zum Erhalt und zur nachhaltigen Nutzung der pflanzlichen Vielfalt.

Naturbewahrung, Umweltvorsorge und nachhaltige Entwicklung sind auch die Kernthemen in den staatlich getragenen Umweltbildungsstätten im Natur- und Umweltschutz. Die einzelnen Akademien tragen dazu bei, das Bewusstsein für unsere Umwelt und den Naturschutz zu steigern. Doch wie sollten Bildungsangebote aussehen, die eine Verbindung von Natur, sozialer Gerechtigkeit, Wirtschaftlichkeit und politischer Handlung anschaulich erlebbar und begreifbar machen? Wie kommt man vom Wissen ins (politische) Handeln?

Pflanzen haben eine große politische und gesellschaftliche Bedeutung, die vielen Menschen gar nicht bewusst ist. Wild- und Kulturpflanzen, auch jene in der Landwirtschaft, können Gegenstand politischen Überlegens, Gesetzgebens, Eigentums oder auch Gemeineigentums sein. Der Begriff der „politischen Pflanze“ bezieht sich auf die Tatsache, dass Pflanzen zum Beispiel dann „politisch“ sind, wenn sie als Wildpflanzen durch Gesetze und Verordnungen geschützt werden. Oder wenn das Produzieren, Handeln oder der Nutzen von Nahrungsmitteln, Energie oder Fasern zu kritischen Fragen führt.

Um diese Themen besonders vielen Menschen näher zu bringen, führt die Universität Kassel in Zusammenarbeit mit Projektteams in acht Bundesländern in strategischer Partnerschaft mit dem Verband Botanischer Gärten e.V. (VBG) und dem Bundesweiten Arbeitskreis der staatlich getragenen Bildungsstätten im Natur- und Umweltschutz (BANU) das Projekt „Pflanzen, Wissen, Engagement - Entwicklung, Erprobung und Verbreitung innovativer Bildungsformate an Naturschutzakademien und Botanischen Gärten“ durch. In den teilnehmenden Naturschutzakademien und Botanischen Gärten sollen neue Bildungsformate rund um pflanzliche Vielfalt entwickelt und getestet werden. Pflanzen als Gegenstand politikbezogenen Lernens rücken dabei in den Fokus. Es sind Veranstaltungsreihen in acht Bundesländern geplant. Das Projekt soll Impulse geben zur Weiterentwicklung der jeweiligen Angebote und zu neuen Partnerschaften auf Landes- und Bundesebene führen.

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) unterstützt das Projekt mit 298.325 Euro. Im Oktober 2019 erhielt die Universität Kassel den Zuschlag für das dreijährige Vorhaben. Die Landeszentrale für Umweltaufklärung Rheinland-Pfalz bildet zusammen mit dem Botanischen Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz das Länderteam Rheinland-Pfalz.

Hinter dem Zusammenhang zwischen Pflanzen und Böden verbirgt sich mehr als spezifisches Fachwissen zur Bodenbildung und Nährstoffverfügbarkeit für Pflanzen. Böden bilden die Grundlage für Pflanzenwachstum und damit die Grundlage unserer Ernährung, und das weltweit. Das Umweltbundesamt sieht Bodenschutz als umweltpolitische Querschnittsaufgabe. Dazu haben alle, die sich schon mal Pflanzen auf dem Balkon oder im Kleingarten angebaut haben, optimale Voraussetzungen das eigene Handeln im Kontext der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDG) zu reflektieren.

Projektteil 1: Entwicklung von neuen BNE-Formaten
Im Wintersemester 2020/2021 hat das Länderteam Rheinland-Pfalz in einem ersten Schritt eine mehrteilige Bildungsveranstaltung für Studierende im Studiengang Master of Education "Biologie" der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt. In dem Workshop standen Methoden und Konzepte einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung im Fokus. Auf Grundlage inhaltlicher Inputs zu den Themen Böden, Bodenschutz, Zeigerpflanzen und klimafreundliches Gärtnern erprobten und diskutierten die Teilnehmenden partizipative und innovative Methoden. Danach entwickelten sie entsprechend ihrer Interessen und selbstgewählter Schwerpunkte und Zielgruppen eigene Bildungsformate für Erwachsene, die im zweiten Teil des Projektes im Außerschulischen Lernort Grüne Schule im Botanischen Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz erprobt werden.

Projektteil 2: Nachhaltig Gärtnern - Gemeinsames Gärtnern und Erleben der biologischen Vielfalt
In diesem Projekt steht das praktische Arbeiten rund um die Zusammenhänge zwischen Pflanzen, Boden und Politik im Vordergrund. Ganz nach dem Motto „Vom Handeln zum Wissen“ soll es junge Menschen zusammenbringen, die von der Idee fasziniert sind, eigenes Gemüse anzubauen und so ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Ernährung leisten wollen.
Die Arbeit in dem "Vielfaltsgarten" hat als Pilotprojekt im April 2021 begonnen. Daran beteiligen sich 14 Studierende unterschiedlichster Fachbereiche der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Studierenden nutzen dabei große, mit Cortenstahl eingefasste Hochbeete. Hier entwickeln sie Experimente zum Vergleich verschiedener Anbaumethoden (z.B. Mischkulturen und Mulch- bzw. Jauche-Anwendungen). Beim Pflanzen und Jäten sowie in extra Online-Formaten diskutieren sie, wie wir durch nachhaltiges Gärtnern die nicht erneuerbare Ressource Boden, die unsere Lebensgrundlage darstellt und das Pflanzenwachstum erst ermöglicht, schützen. Dabei geht es darum, das unterschiedliche Potenzial verschiedener Böden zu erfassen und durch geeignete Anbaumethoden zu erhalten. Möglichkeiten des eigenen Handelns sollen so erkannt und gestärkt werden. Theoretische Impulse und methodisch abwechselnde „Lern- und Reflektionshäppchen“ werden zu folgenden Themen gegeben:

  • Boden als Grundlage für Pflanzenwachstum und Grundlage des Lebens
  • Pflanzen und Böden sind politisch
  • Unterschiedliche Düngemethoden und ihre Auswirkungen auf die Umwelt und das Pflanzenwachstum
  • Wasser – Die (un-)endliche Ressource schonend nutzen
  • Methoden des nachhaltigen Gärtnerns unter die Lupe genommen

Die hier genutzten Bildungsmaterialien für den „Wissenserwerb“ rund um ressourcen- und bodenschonenden Umgang mit Dünger, Wasser und Pflanzen entstanden im ersten Projektteil im Wintersemester 2020/21. Studierende im Studiengang „Master of Education Biologie“ haben sie innerhalb eines Wahlpflichtpraktikums entwickelt.

Im Projekt "Die politische Pflanze" haben Naturschutzakademien und Botanische Gärten aus neun Bundesländern innovative BNE-Bildungsformate rund um die pflanzliche Vielfalt entwickelt. Dabei wurden Zielkonflikte zwischen Artenschutz und Stadtplanung, die Erdbeere als politische Pflanze, wie nachhaltiges Gärtnern funktioniert u.v.m. thematisiert. Erprobt wurden Erlebnispfade, Pflanzenbestimmungskurse mit Exkursionen, Mitmachworkshops und Seminarreihen für Studierende und Schüler*innen sowie Online-Dialogabende für Multiplikator*innen. 

Schauen Sie sich zum Abschluss des Projektes den Reader an. Hier erfahren Sie aus verschiedenen Perspektiven, was politische Pflanzen sind. Die neun Veranstaltungskonzepte und Pflanzensteckbriefe aus den Botanischen Gärten und Akademien geben einen Einblick in die innovativen Bildungsformate. Diese sind übertragbar auf andere Gärten und Bildungsorte. Das Material geben die Länderteams auf Anfrage gerne weiter.

Weitere Informationen zu den Projekten sowie die Kontaktdaten der Länderteams erhalten Sie auf der Projekthomepage "Die politische Pflanze" der Universität Kassel.

Die Vereinten Nationen haben den Zeitraum von 2011 bis 2020 als UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgerufen, um dem weltweiten Rückgang der Naturvielfalt entgegenzuwirken. Ein breit verankertes Bewusstsein in unserer Gesellschaft für den großen Wert der Biodiversität ist eine wichtige Voraussetzung. Die UN-Dekade Biologische Vielfalt in Deutschland lenkt mit der Auszeichnung vorbildlicher Projekte den Blick auf den Wert der Naturvielfalt und die Chancen, die sie uns bietet. Gleichzeitig zeigen diese Modellprojekte, wie konkrete Maßnahmen zum Erhalt biologischer Vielfalt, ihrer nachhaltige Nutzung oder der Vermittlung praktisch aussehen.

Das gemeinschaftliche Projekt „Die politische Pflanze“ vom Tropengewächshaus Witzenhausen und der Didaktik der politischen Bildung (beide Universität Kassel) mit dem Verband Botanischer Gärten (VBG) und dem Bundesweiten Arbeitskreis der staatlich getragenen Umweltbildungsstätten (BANU), ausgezeichnet am 18.09.2020, trägt in beispielhafter Weise zum Erhalt biologischer Vielfalt bei. Es verbindet Biodiversitätsbildung mit politischer Bildung. Hierzu kooperieren in 9 Bundesländern 8 Naturschutzakademien mit jeweils 1-2 Botanischen Gärten und Didaktiken der Biologie. Sie konzipieren Bildungsangebote und Format.

Download Auszeichnungsurkunde Projekt UN-Dekade Biologische Vilefalt 2020

Das Projekt erhielt zudem im UNESCO-Programm "BNE2030" die „Nationale Auszeichnung – Bildung für nachhaltige Entwicklung BNE“.

Nachhaltig Gärtnern im Vielfaltsgarten

Am Freitag, den 27.08.2021 eröffneten Klimaschutzministerin a.D. Anne Spiegel und der Vizepräsident der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz Prof. Jolie den neuen "Vielfaltsgarten" im Botanischen Garten. 
Der Vielfaltsgarten der Grünen Schule bringt als Begegnungsraum für Biodiversitätsbildung junge Menschen zusammen, die sich für den Erhalt der Biodiversität einsetzen wollen. 
Hier erfahren Sie mehr dazu.

Videobeitrag "Nachhaltig Gärtnern 2022" Dr. Ute Becker, Grüne Schule im Botanischen Garten der Uni Mainz

AnsprechpartnerInnen Länderteam Rheinland-Pfalz:AnsprechpartnerInnen Projektleitung:AnsprechpartnerInnen Projektkoordination:

Dr. Ute Becker
(Leiterin Grüne Schule)
Botanischer Garten der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel: +49 (0)6131 3925686
gruene.schule(at)uni-mainz.de
https://www.botgarten.uni-mainz.de

Dr. Alexandra Christ
Landeszentrale für Umweltaufklärung Rheinland-Pfalz
Tel: +49 (0)6131 16 4479
christ(at)umdenken.de

Prof. Dr. Andreas Eis und
Prof. em. Dr. Bernd Overwien
Universität Kassel -
Didaktik der politischen Bildung
Tel: +49 (0)561 804 3114 oder
Tel: +49 (0)591 804 3134
andreas.eis(at)uni-kassel.de
bernd.overwien(at)uni-kassel.de

Dipl.-Ing. agrar. Marina Hethke,
M.A. Umwelt & Bildung
Universität Kassel /
Tropengewächshaus Witzenhausen
Tel: +49 (0)5542 981231
tropengewaechshaus(at)uni-kassel.de

Dipl.-Biol. Eva Maria Kohlmann
Universität Kassel /
Tropengewächshaus Witzenhausen
Tel: +49 (0)5542 981244
die-politische-pflanze(at)uni-kassel.de
Projekthomepage "Die politische Pflanze"